Unwirtlich und traumhaft schön

Claudia und Jürgen Kirchberger wagten sich in den Wintermonaten in eines der sturmanfälligsten Reviere weltweit vor und durchquerten den «Golfo de Penas» im südlichen Chile.

Dumpf rollt die sechs Meter hohe Kreuzsee auf uns zu, ­Tonnen an Wasser prallen im Abstand von Sekunden gegen die Bordwand. Wir haben das vierte Reff ins Grosssegel gebunden und steuern abwechselnd von Hand. Neun Beauforts aus Nord ­jagen hinter uns her. Doch gerade bei schwerem Wetter scheint unsere Expeditionsyacht «La Belle Époque» in ihrem Element zu sein. Trotzdem ist es anstrengend, hier zu segeln. Ich übernehme die erste Wache. Jürgen versucht, trotz heftiger Schiffsbewegungen zu schlafen. Gelegentlich strahlt Mondlicht durch die finstere Wolkendecke und beleuchtet kalt die anrollenden Brecher. Windböen heben das Wasser von der Oberfläche, weiss überspült die Gischt das Boot, sobald die nächste Welle auf den Rumpf aufschlägt. Ich bin froh, trocken und geschützt im Steuerhaus zu sitzen, muss den ganzen Körper anspannen, um mich in diesem Seegang zu halten.
Wir befinden uns an der sprichwörtlichen Achillesferse ­Patagoniens. Ein Gebiet, das Schiffe aus dem Schutz der ­Kanäle treibt. Ein Seestück in einem der sturmgeplagtesten Reviere Chiles. Die Rede ist nicht etwa vom sagenumwobenen Kap Hoorn. Denn Kap Hoorn lässt einem die Wahl: Es muss nicht Nonstop umrundet werden. Jeder Skipperin und jedem ­Skipper steht es frei, in den geschützteren Gewässern des Beagle ­Kanals zu bleiben, die legendäre Passage ums Kap in Tagesetappen zu fahren und so die Umrundung des gefährlichsten Kaps der Geschichte der Seefahrt in relativer Sicherheit zu bewältigen. Die wahre Gefahrenzone Patagoniens liegt weiter nördlich. Es ist der Golfo de Penas, zu Deutsch Golf der Schmerzen. Es ist ein Revier, das keine Wahl, keinen Kompromiss, keine ­Abkürzung durch Kanäle bietet. Ein Golf, der uns zu einer Etappe von ­hundertsiebzig Seemeilen entlang der Küste zwingt. Ein Golf…