Die Wiedergeburt einer alten Dame

Ganz unverhofft wurde der Partner der Schweizerin Marionna Wellinger angefragt, eine alte Yawl von Stamford (Connecticut) nach Jacksonville (Florida) zu überführen. Sie begleitete ihn auf dieser abenteuerlichen Reise, die auch durch die heikle Meerenge Hell Gate nordöstlich von New York City führte.

Als wir bei unserem ersten Besuch in Stamford die alte Dame zu Gesicht bekamen, fühlten wir sogleich eine Verbindung zu ihr. Die Yawl aus dem Jahre 1965 zeigte mit ihrer tiefen ­Wasserlinie stolz ihre Schönheit. Leider hatte das Boot bereits einige Jahre im Hafen gelegen und die Zeit hatte ihre Spuren hinterlassen. Wir wussten nicht genau, wie lange «Constanza ­Margrettha», von uns bald liebevoll «CM» genannt, dieses Dasein schon fristete, denn jeder in der Marina, mit dem wir sprachen, erzählte uns eine andere Geschichte. Nachdem wir auf CM mit grösster Vorsicht ein wenig den Kanal hoch- und runtergetuckert und nicht gesunken waren, wussten wir, dass wir ihrer Überführung zusagen konnten.

Sanfter Start
Die ersten Tage vor dem Start verbrachten wir damit, die Lady von ihrem uralten Schmutz zu befreien. Scot, mein Partner, musste unzählige Male vom Hafen zum Schiffszubehör-Laden und zurück. Der Weg war lang, aber immerhin fand er fast ­alles, was wir benötigten. Und mit jedem Handgriff, den wir an der Yawl vornahmen, liess sie ihre klassische Schönheit mehr und mehr erkennen.
Als die nötigsten Vorbereitungen für die erste Etappe ­getroffen waren, warteten wir auf das passende Wetter­fenster. Die nächsten Tage versprachen, spannend zu werden. Eine erste Tagesetappe wählten wir bewusst relativ kurz. Mit jeder ­zurückgelegten Meile spürten wir, wie die alte Dame wieder zum Leben erwachte – langsam aber stetig. Das Unter­wasserschiff von CM war immer noch voller Bewuchs. So ­konnten wir mit kaum mehr als vier Knoten segeln. Doch schliesslich erreichten wir unser Tagesziel gegen Abend in der Manhasset Bay ohne Zwischenfälle.